Ein Blick zurück, ein Blick nach vorne — 20 Jahre mit Impostersyndrom
Autorin: Kimberley Hoffman
Lesezeit: ca. 6 Minuten
Bekenntnisse einer kreativen Imposter
Ich muss zugeben, dass ich sehr zwiegespalten bin, wenn es darum geht, mein 20. Jubiläum zu feiern.Einerseits: 20 Jahre? Kann das wirklich schon 20 Jahre her sein? Kann ich wirklich mein 20-jähriges Jubiläum als freiberufliche Illustratorin feiern, obwohl ich mich oft wie eine Hochstaplerin fühle?
Ich habe so lange gekämpft.
Wie viele Buchmessen habe ich besucht? In wie vielen “Illustratorenstunden”-Schlangen auf der Frankfurterbuchmesse bin ich gestanden, nur um zu hören, dass ich nicht in das Programm des Verlags passe?
Gründung mit jünger Familie
Als ich mich 2004 als freiberufliche Illustratorin selbstständig machte, waren meine Kinder noch klein, mein Sohn war gerade drei Jahre alt, meine Tochter sechs. Ich hätte vielleicht etwas länger warten sollen, doch die Regierung unterstützte damals Unternehmer und Start-ups. Irgendwann musste ich ja anfangen. Die Herausforderung, Zeit für das Geschäft und für die Familie zu finden, war erdrückend. Das war keine leichte Aufgabe. Viele Menschen in meinem Umfeld haben mich gar nicht ernst genommen.
Das Finanzamt
Das Finanzamt hat mich auch nicht ernst genommen. Der Vorwurf von »Hobby-Liebäugeln« stand irgendwo auf einem Schreiben vom Finanzamt.
Die Arbeit als selbstständige Illustratorin ist nicht vergleichbar mit der Eröffnung eines Ladenlokals. Die Regierung und die finanzielle Logik fordern, dass du innerhalb von drei Jahren nach deiner Gründung einen beträchtlichen Gewinn erzielst. Wie ich einmal dem Finanzamt erklärt habe: Es ist ein Prozess. Ich habe keinen physischen Laden in der Stadt, in dem man Dinge kaufen kann.
Außerdem, habe ich dem Finanzamt geschrieben, habe ich Illustration bei dem renommierten Parsons School of Design studiert. Und hatte dafür sehr, sehr tief in die Tasche greifen müssen. Das war kein Hobby-Selbstverwirklichungswunsch von mir.
Ich wusste, ich muss dringend ein besseres Netzwerk aufbauen.
Ein Netzwerk musste her
Die Illustratoren Organisation e.V.
Damals kannte ich nicht viele andere freiberufliche Illustratoren, eigentlich nur einen in Braunschweig. Ich bin der Illustratoren Organisation e.V. beigetreten, weil ich hoffte, Kollegen in Deutschland zu finden, und hoffentlich in meiner Nähe. Heute lache ich über meine überstürzte Anmeldung und die Verpflichtung, die Mitgliedschaft zu bezahlen, ohne darüber nachzudenken, ob es sich um einen Betrug handelt oder nicht. Waren es Hochstapler, die nur mein Geld wollte? Nein. Aber als ich die Portfolios auf der IO-Website sah, fühlte ich mich wie eine.
Das Impostersyndrom wächst
Da ich kaum Illustrationsaufträge bekam, fühlte ich mich wie eine Hochstaplerin. Das Impostersyndrom setzte mir zu und wuchs wie der »Monster unterm Bett«. Damals war das Internet nicht so verbreitet wie heute. Es war schwieriger, Firmen zu finden, die Illustration bräuchten.
Endlich Kunden! Endlich Aufträge!
Einer meiner ersten Kunden war ClicClac, ein lokales Familienmagazin. Ich wage zu behaupten, dass die Illustrationen, die ich für sie gemacht habe, mich mehr Geld gekostet haben, als ich verdient habe. Es waren relative große Buntstiftzeichnungen.
Ein weiterer Auftrag kam für ein lokales Laternenfest. Ich zeichnete eine Sympathiefigur, einen kleinen Löwen und gestaltete eine Programmbroschüre dazu.
Durchhalten, nicht aufgeben
Oft genug war ich kurz davor, aufzugeben und mich für irgendeinen Job zu bewerben, der mir wahrscheinlich keinen Spaß machen würde. Und jedes Mal, wenn dieser Punkt kam, kam ein kleiner Auftrag herein. Einer, der mir zuflüsterte: »Gib nicht auf.« Man könnte diese kleinen Aufträge mit Luftbläschen im Wasser vergleichen, wie diejenigen, die man sieht, wenn man auf den Grund des Ozeans fällt. Ich atmete sie tief ein und hielt die Luft an, bis andere Luftbläschen auftauchten, die ich wieder tief einatmete.
Eine dieser kleinen Luftbläschen entpuppte sich als eine, die meine Illustratorinlunge aufblies. Sie kam über XING herein, damals, als XING noch eine großartige Community hatte und nicht das Jobsuchportal, das es heute ist. Monika Huelsken-Stobbe suchte Illustratoren für ein Kochbuch, um Geld für ein Projekt zugunsten von Kindern mit Migrationshintergrund zu sammeln. Kinder wie meine eigenen, dachte ich mir – Kinder, deren Eltern aus einem anderen Land kamen. Die NGO “Cookita” und das Buch “Cookita – im Kochtopf um die Welt” waren geboren.
Wenn du etwas Gutes in die Welt setzt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, kommt es wundersamerweise auf andere Wege zu dir zurück.
Und das tat es.
Cookita und das Haus der Geschichte
Das Projekt mit Cookita führte zu einem Vortrag im “Haus der Geschichte” in Bonn. Als Monika Huelsken-Stobbe mich fragte, ob ich mit ihr den Vortrag halten würde, hatte ich noch nie von diesem Institut gehört. Ich dachte, es wäre eine Volkshochschule! Erst als den Leuten die Kinnlade herunterfiel, als ich den Veranstaltungsort erwähnte, wurde mir klar, was für ein Juwel das Institut war. Das war wirklich eine große Ehre. Und gleichzeitig fühlte ich mich noch mehr wie eine Hochstaplerin.
Die German Design Awards 2016
Das Buch, das wir produzierten, begann, Türen zu öffnen. Der Bobo-Verlag bat mich, ein ganz besonderes Aktivitätsbuch zu erstellen: “LineLino – Auf dem Bauernhof“. Dieses besondere Mal-und-Zeichnenlernbuch wurde für den German Design Award 2016 nominiert.
Bedeutet das, dass das Imposter-Syndrom mich verlassen hat?
Nicht ganz. Das Gefühl, eine Hochstaplerin zu sein, geht nie ganz weg. Aber du kannst es lindern, wenn du deine Perspektive änderst.
Alles eine Sache der Perspektive
Als Illustratorin verstehe ich buchstäblich die Perspektive.
Es war auf der Frankfurter Buchmesse. Ich stand an einem Stand und starrte auf einige Bücher, woraufhin mich eine Verlagsmitarbeiterin fragte, ob sie mir helfen könne. Ich lächelte, als meine Gedanken ungefiltert in Worte flossen: »Nun, ich wollte nur sehen, ob Ihre Bücher zu meinem Stil passen.« Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sie noch nie einen Illustrator aus dieser Perspektive betrachtet und lud mich in den Stand ein, um meine Mappe zu sichten.
Für mich war das ein “Aha”-Moment, der meinen Blick auf meine eigenen Illustrationen veränderte.
Kunden zu gewinnen ist wie sich zu verlieben oder neue Freunde zu finden. Du brauchst eine echte Kompatibilität, eine echte Partnerschaft, die auf Augenhöhe funktioniert. Du behältst diejenigen, die du liebst und die dich auch lieben. Und du musst immer bereit sein, dies immer wieder zu tun.
Und das ist der Schlüssel, um das Impostersyndrom zu unterdrücken.
Rückblick auf 20 Jahren
In diesen zwanzig Jahren habe ich wunderbare Menschen kennengelernt, für die sich mein Weg mit Imposter-Syndrom zur Schöpferin jede Sekunde des Weges gelohnt hat.
Herzlichen Dank zum 20. Jahrestag an alle, die mich auf meinem kreativen Weg begleitet haben. Ich bin gesegnet, euch an meiner Seite zu haben.