Wimmel mit! Grob gezeichnet
Der Grobentwurf ist das Skelett einer jeder Illustration
Ooooh, aaahhh, huhhh? Viele Menschen, die einer Zeichnerin bei der Arbeit zuschauen, erwarten, dass sie sofort erkennen, was die Zeichnerin malt.
Das passiert mir oft, wenn ich in die Stadt gehe um Skizzen zu machen. Dabei bin ich für mich unterwegs um Informationen aufzunehmen, nicht um ein schönes Sonntagsbild zu malen. Das verstehen manche nicht.
Was ist das für ein Gekritzele?
Für das ungeübte Auge sieht es vielleicht nur nach unordentliche Striche aus – wo man in der Schule doch lernen musste innerhalb einer Fläche ordentlich zu malen. Das Gekritzele, Scribble genannt, ist tatsächliche eine Fülle an Informationen.
Das Scribble ist für mich das Grundgerüst meiner Illustrationen und es dient vielen Zwecken. Zum ersten, ist es ein Kribbeln, wovon ich schon mal gesprochen habe. Es ist etwas, was heraus will, eine Idee, die Form annehmen will. Manchmal tänzelt es ein bisschen, bis die Form richtig Gestalt nimmt.
Das ist diese aufregende Phase des Schaffens, möglichst schnell das Wesen und Facetten einer Idee auf das Papier zu bringen bevor die Idee sich in Luft auflöst.
Ich könnte es ein bisschen wie Jagen und Fangen beschreiben – als ich ein Kind war gab es in unserem Garten hunderte von Glühwürmchen, deren Lichter in der Dunkelheit blinkten. Wir rannten hinter diesen Lichtchen her, manchmal haben wir, meine Geschwister, meine Freunde und ich, Glück gehabt und konnten viele dieser Wundertiere fangen und beobachten. Aber manchmal gingen wir leer aus.
So ähnlich ist es mit Zeichnen. Du versuchst möglichst viele Aspekte einer Idee festzuhalten, damit sie nicht verschwindet wie die Glühwürmchen in der Nacht.
So öffne ich heute mein Atelier zu euch und zeige euch Nase-zum-Papier-nah wie der erste Grobentwurf bei mir ausschaut.
Das Gute an das Grobe
Das Gute an das Grobe ist ganz einfach: Es ist früh in der Entwicklungsphase einer Illustration und damit leicht die Richtung zu wechseln, wenn die Idee nicht funktioniert.
Als ich über Wimmel mit! als Illustration nachgedacht habe, wollte ich sie erst im standard Posterformat entwickeln. Je mehr ich darüber nachgedacht habe, bin ich zum dem Entschluss gekommen, dass die Illustration eher ein Buchcoverformat annehmen sollte.
Als ich anfing, die Illustration zu skizzieren, stockte das Bild. Urspsrunglich wollte ich zum Beispiel den Bus-Pulling auf dem Stadtmarkt dazu abbilden, doch ich wollte auch, dass es viele interessante Stories für Kinder gibt, zum Beispiel das Ritterfest im Schlosshof. Ich habe verschiedene kleine Skizzen gemacht, die nicht größer waren als eine Streichholzschachtel und stellte fest, dass ich eigentlich nur das Schloss zeichnen wollte.
Ich behaupte, viele Menschen unterschätzen den Wert des Scheiterns und haben regelrecht Angst davor, zu scheitern.
Im ersten Foto seht ihr, dass das Motiv ursprünglich das Schloss schräg von vorne zeigt… doch so wollte das Bild nicht so sein, wie meine Gedanken sich das ausgemalt haben. Ich wollte die Pferdetränke und die Brücke malen und noch dazu einen Maler an den angemalten Fenstern illustrieren. Das Bild wollte das jedoch nicht.
Ich musste einen Schritt zurücknehmen und das Grobe aus der Entfernung betrachten. Und dann erkannte ich, dass mein Wimmelbild kaum wimmeln könnte, wenn ich das Schloss nur von Außen zeichne. Ich erkannte ebenfalls, dass der Titel ein bisschen zu groß war.
Wofür ist Grobzeichnen gut?
Hätte ich mein Bild auf ein ‚gutes‘ Blatt Papier skizziert, hätte ich mich geärgert, denn wahrscheinlich könnte ich nicht alle Spuren des Bleistifts verwischen. Darum nehme ich in der Regel für den Grobentwurf ein dickeres Packpapier, das mir erlaubt eine ‚wen kümmert’s‘ Haltung einzunehmen.
Ihr müsst wissen, als Künstlerin ist es mir wichtig keine Angst davor zu haben, mal hin und wieder auf die Nase zu fallen. Wenn ich etwas zeichne, was nicht leicht von der Hand geht, kann ich anhalten und es aus einer anderen Perspektive darstellen.
Ich behaupte, viele Menschen unterschätzen den Wert des Scheiterns und haben regelrecht Angst davor, zu scheitern. (Wobei ich gern auf Elon Musk zeige. Er scheitert immer wieder und immer wieder hat er Erfolge, eben weil das Scheitern zum Lernen und zum Erfolg dazu gehört wie Wasser zum Leben)
Für Wimmel mit! ist das Grobzeichnen die Möglichkeit unverbindlich viele kleine Stories zu erzählen. Die Geschichten sind in meinem Kopf, ich muss sie rauslassen. Wenn ich meine Skizze anschaue, höre ich die Musik, die einen Tanz um den Maibaum begleitet. Ich höre das Klirren der Holzwaffen der kleinen Ritterkinder. Ich sehe, dass der Hofnarr zu weit Abseits steht, dass er einen Trommler an seiner Seite braucht. Und dann kommen andere kleine Perlen, wie das Rabenritterfest, was auf dem Schlossdach stattfindet oder der Brotbäcker, der Bäckereistand (die ganz kleine Kreise sind Brote) und die Besucher, die an einem langen Tisch davor sitzen.
Warum nicht gleich “ordentlich”?
Das ist eine berechtigte Frage: Warum nicht gleich ordentlich? Ein Vorteil des Grobentwurfs ist die Geschwindigkeit. Ich kann viele Ideen, die mir als Notizen dienen, darstellen. Es ist nicht wichtig ob jemand anders einen Reim daraus machen kann. Das ist etwas, was ich meinen Schülern beibringe, wenn ich ihnen Zeichnen und Illustration unterrichte. Der Grobentwurf ist wie der Notiz, den man in der Schule schreibt, um die Idee möglichst schnell zusammen zu fassen, während der Lehrer noch weiter redet.
“Ordentlich” braucht Zeit. Viel Zeit
Um ein DIN A4 großes Blatt vollflächig zu bemalen, braucht man mit Bleistift oder Buntstift circa 6 Stunden. Auch mit dem Rechner geht es wahrlich kaum schneller wenn ich ein analoge Illustration simulieren will, außer ich verwende Tricks, denn am Rechner führt meine Hand die Eingabestift, nicht irgendein Wunderprogramm.
Dieses Bild ist ca. 4 x 4 DIN A4 Blätter groß. Und ein Grobentwurf ist erst das: Ein Entwurf. Ich kann etwas hinzufügen, wie den kleinen Trommler neben dem Narren oder wegnehmen, wie eine Prinzessin, die gerade nicht ins Bild passte. Dadurch habe ich keine Zeit verschwendet. Für diese Skizze brauchte ich ungefähr 2 ½ Stunden. Ist das lang? Nun verglichen mit 24 Stunden, die ich für ein ‘ordentliches‘ gezeichnetes Bild in dieser Größe benötigen würde, nein.
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